Kletterhimmel im Nationalpark Gesäuse

Gibt es einen Kletterhimmel? Wenn ja, dann liegt er wohl im Gesäuse, präziser: in Johnsbach. Und das nicht nur wegen des berührenden Bergsteigerfriedhofes, dessen Grabkreuze und Gedenksteine sich wie eine Anthologie der klassischen Alpinistik lesen: Fritz Schmid fand hier seine letzte Ruhestätte, ebenso Gustav Jahn oder Hubert Peterka. Hunderte Namen enthält die seit dem Jahr 1810 geführte Verunglücktenliste, weit mehr als der Ort lebende Einwohner zählt. Vielleicht eine Gelegenheit zum Innehalten und darüber Nachdenken, dass das Bergerlebnis auch heute noch eine ernste Seite hat.

„Hochschule des Bergsteigens“

„Hochschule des Bergsteigens“ – diesen Ehrentitel trägt das Gesäuse seit den 1920er-Jahren, als sich die damaligen jungen Wilden der Wiener und Grazer Klettererszene den „letzten Problemen“ widmeten, an denen es in diesem Gebiet wahrlich nicht mangelte. Eine davon war die im Jahr 1936 bezwungene Dachl-Rosskuppen-Verschneidung, und das liest sich in der klassischen Führerliteratur dann so:

„Aus dem Riss äußerst schwierig durch das griffarme Gewölbe eines weit hinausragenden Kamines empor, ab dessen Ende freihängend und äußerst anstrengend über den obersten, völlig glatten Wulst so weit hinweg, dass man die ersten zwei ganz kleinen Griffchen mit den Fingerspitzen gerade erreicht, und äußerst schwierig (nahe der absoluten Sturzgrenze) nach links in die kurze Rinne und empor auf schlechten Stand, 20 m. …”

Wiederholungsversuche scheiterten mehrfach, und es sollte tatsächlich 12 Jahre dauern, bis diese Route ihre zweite Begehung erlebte.

Andererseits: Nach der ungeheuren Felsmasse, die beim Eintritt in das „Xeis“ beidseits der Enns über dem Kopf des Besuchers förmlich zusammenschlägt, betritt man das Johnsbachtal tatsächlich durch ein in den Fels gehauenes Tor. Unmittelbar danach weitet sich das Tal, ein freundlicher Wiesenboden umsäumt kleine Häusergruppen, die vorhin so bedrohlich wirkenden Felsberge wirken nun wie ein schützender Zaun um einen alpinen Paradiesgarten. Sogar die anderenorts unvermeidlichen Insignien der Globalisierung scheinen dieses Tal zu schonen: Das Kaufgeschäft gehört zu keiner Einzelhandelskette, Hausfassaden und Gärten kommen ohne Baumarkt-Dekoration aus, ein Bauernhof nur trägt, schüchtern fast, ein telekommunikatives Antennengeweih.