Seit vielen Jahrhunderten schreibt das Gesäuse Alpingeschichte. Am Beginn waren es Jäger und Hirten, welche die Gipfel bestiegen. Die „Almnamen“ Hochtor, Planspitze, Gsuchmauer und Stadelfeld zeugen heute noch davon. Das Benediktinerstift Admont, im Jahre 1074 gegründet, hatte als Grundherr die Almwirtschaft zu verwalten. Die Bauern pflegten die Almwege – die heutigen markierten Wanderwege. Wir gehen also „auf den Spuren der Ochsen“ oder auf den gefährlichen „Schlittwegen“ der Holzknechte.

Alpinismuspioniere

Im 19. Jahrhundert waren einige wagemutige Mönche als “Gesäuse-Pioniere” zu wissenschaftlichen Zwecken in den Ennstaler Alpen unterwegs. Die mächtigen Felsaufbauten der Gesäuseberge lockten aber vor allem die Pioniere des Alpinismus nach Johnsbach. Mit der Eröffnung der “Kronprinz-Rudolfsbahn” im Jahre 1872 begann die tatsächliche touristische Entdeckung des Gesäuses, das sich zu einer der ersten und bekanntesten Tourismusregionen Österreichs entwickelte. Die Alpine Rettungsstelle im Gesäuse gilt nach Reichenau auf der Rax als die älteste der Ostalpen. Bergbegeisterte aus aller Herren Länder strömten in die Gesäuseberge. Um dem Ansturm gerecht zu werden, mussten sogar Sonderzüge eingeschoben werden. Aber vor allem waren es Wiener Alpinisten, die das Geschehen prägten. Sie waren verantwortlich für viele neue und anspruchsvolle Anstiege durch die steilen Nordwände und sind bis heute untrennbar mit der Erschließungs-geschichte der Gesäuseberge verbunden.

"Heinrich Heß"

Ein Mann muss dabei besonders hervorgehoben werden, der Wiener Alpinist Heinrich Heß (1857 – 1946). Er gilt als „Erschließer” und „Vater des Gesäuses”. Gemeinsam mit seinem langjährigen Führer und Gefährten Andreas Rodlauer beging er am 5. Juli 1877 erstmals den Wasserfallweg und den Peternpfad. Der ersten Begehung des Wasserfallsteiges folgte in den Jahren 1891 bis 1892 die Errichtung einer gesicherten Steiganlage durch die „Alpine Gesellschaft D´Ennsthaler“, jener Wiener Bergsteigergruppe, die auf dem Sattel des Ennseck ein Jahr später die Hesshütte errichtete.

Heinrich Heß und Andreas Rodlauer gelangen noch weitere Erstbegehungen, darunter die Besteigung des Kleinen Buchsteins. Doch nicht nur als Alpinist, sondern auch als Verfasser von alpiner Führerliteratur machte sich Heß einen Namen. 1884 erschien der erste Gesäuseführer, der in seinem Erscheinungsjahr der erste deutschsprachige Führer für ein Alpengebiet überhaupt war. Auch „Der Hochtourist in den Ostalpen“, ein mehrbändiges Werk, welches Heinrich Hess gemeinsam mit Ludwig Purtscheller herausgab, zählte jahrzehntelang zu den Standardwerken der ostalpinen Führerliteratur. Nicht zu vergessen ist, dass die „Steiermärkischen Landesforste“, welche in dieser Pionierzeit die Grundflächen im Gesäuse erwarben, auch ihren Teil zur Erschließung beitrugen: das technische Meisterwerk der Hartelsgrabenstraße zeugt heute noch davon.

Alpin- und Sportklettern

In den 1920er-Jahren entdeckten die damaligen Jungen Wilden der Wiener und Grazer Kletterszene die Gesäuseberge. Zu den Glanzleistungen dieser Zeit zählt zweifelsohne die 1936 bezwungene Dachl-Rosskuppen-Verschneidung. Wiederholungsversuche scheiterten mehrfach, und es sollte tatsächlich 12 Jahre dauern, bis diese Route ihre zweite Begehung erlebte.

Nach den sechziger Jahren, die von technischer Kletterei dominiert waren, wurden neue Anstiege ganz im Sinne der Kletterpioniere vorwiegend im freien Stil geklettert. Mit dem modernen Sportklettern wurden auch in den Gesäusebergen die Schwierigkeitsgrade der Routen in schwindelerregende Höhen geschraubt. Aber es sind im Gesäuse gerade die klassischen alpinen Klettertouren, die auch heute noch – in mühevoller Arbeit generalsaniert und mit Bohrhaken versehen – zum beliebten Ziel von Bergsteigern gehören und die bewegte Geschichte des Bergsteigens im Gesäuse wieder aufleben lassen.

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